Publikation

Flüchtlingsfamilien im Schatten der Hilfe? Geflüchtete minderjährige Kinder und Jugendliche und ihre Familien in Deutschland
14.04. - 15.04.16 | Berlin

Aktuelle Beiträge zur Kinder- und Jugendhilfe, 104
Erscheinungsjahr: 2016
232 Seiten
ISBN: 978-3-88118-560-8
Preis: 19 €

Am 14./15. April 2016 veranstaltete die Arbeitsgruppe Fachtagungen Jugendhilfe in Kooperation mit dem Deutschen Städtetag eine Fachtagung zum Thema Flüchtlingsfamilien. Die im Verhältnis zu den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen quantitativ viel größere Gruppe der begleiteten minderjährigen Flüchtlinge und ihre Familien standen bisher im Schatten der Hilfe. Von nun an ginge es darum, zu verstehen, in welchen persönlichen Situationen sich diese befinden, um ihre Bedürfnisse wahrnehmen zu können. So beschrieb es Regina Offer vom Deutschen Städtetag in ihrer Eröffnungsrede.

Wie lange ist eine Familie eine Flüchtlingsfamilie?

Markus Schön vom Stadtjugendamt München beantwortete diese Frage aus der Perspektive, die er und seine Kollegen vertreten. Familien mit Kindern, die nach München kommen, um dort zu leben, werden als Münchner Familien angesehen. Man differenziere nicht nach der Bleibeperspektive einer Familie, sondern versuche bei jeder einzelnen Familie auf ihre Bedürfnisse, den Unterstützungsbedarf und die Ressourcen zu schauen. Dementsprechend stellte er den Aktionsplan des Stadtjugendamtes und bereits umgesetzte Projekte, Einzelmaßnahmen und Vernetzungsaktivitäten vor und sprach dabei auch über „Haltungsfragen“.

Anforderungen an eine integrierte Sozial-, Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung

Im Verlauf der Tagung wurden wichtige Aspekte der Integration, wie z. B. Wohnen, Bildung, Ausbildung/Arbeit, Gesundheit, Kinderschutz und auch die Ressourcen, die Flüchtlingsfamilien mitbringen, erörtert. Am zweiten Tag dominierte eine anregende und lebendige Diskussion über die Anforderungen an eine integrierte Sozial-, Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanung. Frau Schneckenburger, Stadt Dortmund, und Herr Fuchs, Landkreis Steinfurt, stellten hierzu erste eigene Erfahrungen vor.

Generell gelte, dass Planungsprozesse nicht gestaltet werden können, solange es kein gemeinsames Verständnis davon gibt, wie Integration auf lange Sicht funktionieren soll. Darüber müssten sich alle Beteiligten austauschen und einig werden. Darüber, dass zugewanderte und geflüchtete Jugendliche nicht „Jugendliche 2. Klasse“ sind, waren sich beide einig. Um ihnen die gleichen Chancen zu eröffnen, wie anderen Kindern und Jugendlichen, brauche es zunächst flexible Angebote und Brückenangebote, gerade auch in Bezug auf die Kindertagesbetreuung, außerdem z. B. Sprachkurse, schnelle Zugänge ins Schulsystem und eine Qualifizierung für den Übergang Schule - Beruf.

Vielfältige und individuelle Hilfen zur Integration notwendig

Auf der Tagung kamen noch viele andere Referenten zu Wort und im Rahmen zahlreicher Arbeitsgruppen wurden weitere Fragen und Themen gemeinsam mit den Teilnehmenden lösungsorientiert erörtert, die ebenfalls in dieser Dokumentation nachzulesen sind. Immer wieder war aus unterschiedlichen Beiträgen die Erfahrung zu hören, dass den Flüchtlingsfamilien unsere Angebote, Strukturen, Lebens-, Denk- und Verhaltensweisen wirklich verständlich gemacht werden müssen, damit sie ihren Platz in unserer Gesellschaft finden und heimisch werden können. Dafür wäre es von zentraler Bedeutung, individuelle Hilfen anzubieten. Gerade in ihrer Anfangszeit brauchen Flüchtlingsfamilien in Deutschland sehr viel Unterstützung und dürfen nicht länger im Schatten der Hilfe stehen.

 

Aus dem Inhalt

Eröffnung und inhaltliche Positionierung:
PROF. MARTIN ZUR NEDDEN, Deutsches Institut für Urbanistik
REGINA OFFER, Deutscher Städtetag, Berlin

Flüchtlingskinder und die Umsetzung von Kinderrechten in Deutschland – UNICEF berichtet aus „Vor-Ort-Beobachtungen“ und Gesprächen …
DR. SEBASTIAN SEDLMAYR, UNICEF Deutschland, Köln

Unbegleitete und begleitete minderjährige Flüchtlinge – Lebenslagen, Bedarfe, Erfahrungen und Perspektiven aus Sicht der Jugendlichen …
CLAUDIA LECHNER, Deutsches Jugendinstitut e. V., München

Wie gelingt es der Kinder- und Jugendhilfe, ihre Aufgaben in Gemeinschaftsunterkünften bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingskindern und ihren Familien/Sozialverbünden wahrzunehmen? Kölner Wege und Probleme + Kölner Erfolge und Herausforderungen
CAROLIN KRAUSE, Amt für Kinder, Jugend und Familie, Köln

Aufgaben eines Betreibers von Gemeinschaftsunterkünften bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingskindern und ihren Familien/Sozialverbünden. Dortmunder Wege und Probleme + Dortmunder Erfolge und Herausforderungen
ILDA KOLENDA, Diakonisches Werk Dortmund und Lünen gGmbH

Wie lange ist eine Familie eine Flüchtlingsfamilie? Der Aktionsplan des Jugendamtes München
MARKUS SCHÖN, Jugendamt, Landeshauptstadt München

Sich dem Einmischungsauftrag stellen! Stadtplanerische Handlungsfelder mit Bezug zur Integration von begleiteten und unbegleiteten minderjährigen ausländischen Kindern und Jugendlichen und ihrer Familien
PROF. DR. INGRID BRECKNER, HafenCity-Universität, Hamburg

Anforderungen an eine integrierte Sozial- und Jugend-hilfeplanung und erste Erfahrungswerte 
... in der Stadt Dortmund

STADTRÄTIN DANIELA SCHNECKENBURGER, Stadt Dortmund

…im Landkreis Steinfurt
TILMAN FUCHS, Landkreis Steinfurt

Qualitative Anforderungen an das Bildungssystem zur Teilhabe und Integration von Flüchtlingskindern
DR. DIETER ROSSMEISSL, Stadt Erlangen

Vorstellung von Praxisbeispielen in Arbeitsgruppen

Arbeitsgruppe „Niedrigschwellige (tagesstrukturierende) Angebote in Einrichtungen/Beratung und Frühe Hilfen“
YVONNE APITZ-BIMBOES, Jugendamt Saarpfalz-Kreis
STEPHAN SIEBENKOTTEN-DALHOFF, Jugendamt Düsseldorf;

Arbeitsgruppe „Kindertagesbetreuung und Kindertagespflege. Qualitative Anforderungen, Vorstellung interessanter Betreuungsmodelle aus anderen Kommunen als ‚Ideenpool‘“
MARION ACHE, FABIDO, Stadt Dortmund

Arbeitsgruppe „Bildungssysteme (Schule + Ausbildung) – Sprachkurse, Willkommensklassen, Integration in Regel-systeme, Vorstellung des Leitfadens zur Integration von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen in die Kindertagesförderung und die Schule“
CAROLIN KRAUSE, Köln; MARKUS SCHÖN und EVA SCHIEßL, München

Arbeitsgruppe „Gesundheitsleistungen – Vorsorge und Behandlung von Kinder- und Infektionskrankheiten und chronisch Kranken sowie bei Schwangeren und Therapie von Traumata“ 
DR. MED. MATHIAS WENDEBORN, REFUDOCS Ärztestützpunkt Bayernkaserne, München,
MICHAEL RABE, Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Dresden

Arbeitsgruppe „Kinderschutz – vom ersten Tag an! Zugang des ASD zu Flüchtlingsfamilien, nicht nur in Gemeinschaftsunterkünften, besondere Herausforderungen, Erfahrungswerte“
MARTIN ALBINUS, Fachbereich Kinder, Jugend und Familie, Braunschweig; MARKUS NAU, Jugendamt München

Arbeitsgruppe „Jugendsozialarbeit/Ausbildung, Berufsorientierung, Berufswahlentscheidung, berufliche Integration geflüchteter junger Menschen“ 
BARBARA FRAAß, Berufsschule 11, Nürnberg; DR. HERBERT WIEDERMANN, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), Hamburg

Foren

Forum „Hilfe für junge volljährige Flüchtlinge - § 41 SGB VIII“
DR. ANDREAS DEXHEIMER, Diakonie - Jugendhilfe Oberbayern, München

Forum „Ehrenamtliches Engagement, Patenschaften, Netzwerke für Flüchtlingsfamilien und ihre Kinder“
FLORIAN STENZEL, Netzwerk Berliner Kinderpatenschaften e. V., Berlin;
HANSJÖRG BEHRENDT, Willkommensnetzwerk in Berlin-Reinickendorf (WiR)

Literaturhinweise